• UGHW: Anfang der Durchsage

  • Apr 2 2025
  • Length: 1 hr and 21 mins
  • Podcast

UGHW: Anfang der Durchsage

  • Summary

  • Es gibt kaum eine bessere Methode, eine Stadt, Land und Leute kennenzulernen, als mit dem örtlichen ÖPNV. Denn jede U-Bahn hat ihren eigenen Charakter, ihre eigene Persönlichkeit. Die Berliner U-Bahn zum Beispiel ist wie eine WG-Party – laut, chaotisch, in einer Ecke riecht es komisch. Es sind auch immer ein paar Leute da, von denen niemand weiß, wer sie eigentlich eingeladen hat. Und selbstverständlich ist irgendwo immer eine Tür kaputt. In Paris wiederum hat man das Gefühl, die Bahnen wurden für Hobbits gebaut – zu klein, zu eng, und wenn die Metro ankommt, scheint sie nur aus Höflichkeit zu bremsen. Dafür gibt es sehr hübsche Jugendstil-Schilder, die den Eingang markieren. Sie werden im Stadtbild zwar völlig übersehen, aber in einem stimmigen Ensemble will man ja auch nicht auffallen. Die Londoner Underground ist wie ein viktorianischer Teesalon – elegant, traditionsreich und völlig unmodern. Es wäre jedoch unhöflich, den technisch gebrechlichen Charme der alten Dame aus dem untergegangenen Empire zu tadeln. Hinzu kommen die ständigen fürsorglichen Durchsagen „Mind the Gap“ – so oft gehört, dass man fast glaubt, der „Gap“ sei eine Art gefräßiges U-Bahn-Monster. In New York wiederum nuscheln die Ansager so schnell und monoton, dass selbst Muttersprachler irgendwann aufgeben. Wahrscheinlich sind rauschfreie, gut verständliche Lautsprecher laut irgendeines Verfassungszusatzes verboten. Wahre Paläste findet man in Moskau jenseits des Kremls nur unterirdisch. Jede Metro-Station gleicht einem Museum – riesige Kronleuchter, goldene Mosaike, marmorne Hallen, die zum Umsteigen eigentlich viel zu schade sind. Man hat beständig das Gefühl, dass Zar Nikolaus oder zumindest Genosse Stalin jederzeit zusteigen könnte. Auch der offizielle Name der U-Bahn ist bemerkenswert: „Moskauer Leninorden- und Rotbannerorden-Metro namens W. I. Lenin“. Das ist durchaus angemessen – schließlich wurde der Bahn 1947 offiziell eben dieser Leninorden verliehen. Angeblich trägt sie den aber nur an hohen Feiertagen und auf Familienfeiern. Das Moskauer U-Bahn-Modell findet sich im gesamten ehemaligen Ostblock wieder – so auch in Prag, dem heutigen Ausflugsziel. Die Prager Metro ist wie ein Escape Room: geheimnisvolle Durchsagen, schnelle Türen und das beklemmende Gefühl, dass man hier vielleicht nie wieder rausfindet. Doch die wahre Herausforderung ist auch hier die Durchsage: „Ukončete prosím výstup a nástup, dveře se zavírají. Příští stanice: Staroměstská.“ Apropos unverständliche Ansagen: Wer jemals ein Torfrock-Konzert besucht hat, weiß, dass gelungene Kommunikation nicht komplex sein muss. Gelegentliche „Odin!“-Rufe können die gesamte Gefühlspalette abdecken. Mehr behörnte Häupter hat es wohl nur in grauer Vorzeit gegeben. Aber auch wenn Mittelaltermärkte weiterhin im Trend liegen, muss man wissen: Die erste Boomphase dieser Events endete bereits vor 500 Jahren. Dies und vieles mehr in der sechsten Folge von „Ungefährliches Halbwissen – The Last Missing Podcast“.
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