• Die Faszination des Widerlichen: Anmerkungen zu Sebastian Haffner
    Jun 20 2025

    Diese Woche habe ich «Abschied» vorgestellt, einen frühen Roman von Sebastian Haffner – ein zartes, melancholisches Buch. Beim Lesen habe ich auch wieder zu seiner Autobiografie gegriffen: «Geschichte eines Deutschen – die Erinnerungen 1914 – 1933». Und sie hat mich umgehauen. Haffner beschreibt darin mit schneidender Klarheit, wie aus anständigen Menschen Mitläufer und aus Mitläufern Täter wurden. Warum ganz normale Deutsche plötzlich «Heil» schrien, Schaufenster zerschlugen, Juden jagten. Und wie er selbst, Sohn eines preussischen Beamten, dazu kam, eine Hakenkreuzbinde anzulegen. Er analysiert diesen Prozess wie ein Forensiker – am eigenen Leib, in erschütternder Klarheit. Was er dabei freilegt, lässt sich heute wieder beobachten: in Deutschland, in den USA, in Österreich – und ja, auch bei uns in der Schweiz. Ich habe deshalb fünf Aspekte herausgegriffen, die Haffner beschreibt – und zeige Ihnen, warum sie uns heute aufrütteln sollten. Am Ende sage ich Ihnen, was das alles mit den Medien zu tun hat.

    Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.
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  • Mehr Google, weniger Schweiz: Was sind uns Medien wert?
    Jun 13 2025

    Diese Woche hat der Nationalrat, also die grosse Kammer des eidgenössischen Parlaments, die Halbierungsinitiative beraten. Das Volksbegehren verlangt eine starke Reduktion der Empfangsgebühren für das öffentlich-rechtliche Radio und Fernsehen in der Schweiz. Fast 80 Räte meldeten sich zu Wort. Es ist wie bei Bildungsthemen: So wie jeder einmal zur Schule gegangen ist, hat jeder schon einmal eine Fernsehsendung gesehen – und deshalb eine politische Meinung. Die Befürworter der Halbierungsinitiative reden von Zwangsgebühren und einem linksgrünen Staatsfunk, die Gegner vom Untergang der Demokratie. Beides ist so plakativ wie falsch. In der Theorie lebt die Demokratie vom Wettbewerb der Ideen. In der Praxis aber hauen sich die Volksvertreter im Parlament Glaubenssätze um die Ohren, verteidigen Interessen und dröhnen Meinungen in den Saal, die mit der Sache kaum etwas zu tun haben. Selbstverständlich darf jeder Politiker meinen, was er will. Was mich an der Debatte stört, ist die Weltfremdheit der Behauptungen. Deshalb konzentriere ich mich heute auf die Sache – und das heisst: auf das Geld. Ich zeige Ihnen, wie gross der Medienmarkt in der Schweiz ist und was passiert, wenn die Halbierungsinitiative angenommen wird. Danach dürfen Sie weiterhin meinen, was Sie wollen. Aber bitte auf der Basis dieser Zahlen.

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  • Wie die KI das Internet zerstört – willkommen im Zero-Click-Web
    Jun 6 2025

    Vor zweieinhalb Jahren habe ich hier zum ersten Mal darüber geschrieben, warum und wie die Künstliche Intelligenz das Internet, wie wir es kennen, zerstören könnte. Gemeint ist damit natürlich nicht das technische Netzwerk, sondern das mediale Internet – jenes Netz aus Inhalten, Angeboten und Interaktionen. Inzwischen sind wir diesem Abgrund einen grossen Schritt näher gekommen: Google hat jetzt auch auf Deutsch die KI-Zusammenfassungen auf den Suchresultateseiten eingeführt. Suchende müssen keinen Link mehr anklicken – sie erhalten die Antwort immer häufiger direkt bei Google. Das Ergebnis ist das, was man als «Zero Click Web» bezeichnet: Suchvorgänge, die keinen Klick mehr zur Folge haben.

    Für Medienhäuser, Unternehmen, Kulturanbieter und Institutionen ist das verheerend. Google holt sich zwar ihre Informationen, leitet aber kaum noch Nutzerinnen und Nutzer weiter. Willkommen im Zero-Click-Web. Für die Nutzerinnen und Nutzer mögen diese KI-Zusammenfassungen kurzfristig bequem sein. Für die Gesellschaft, für die Medien und für viele Unternehmen sind sie auf lange Sicht fatal. Denn die KI führt auf diesem Weg zu nichts Geringerem als dem Tod des Internets, wie wir es kennen.

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  • Liebe Politikerinnen und Politiker – mein Appell in Sachen KI
    May 30 2025

    Letzte Woche habe ich an dieser Stelle erklärt, wie die KI die Demokratie gefährdet – weit über Fake News hinaus. Ich habe darauf einige interessante Rückmeldungen erhalten, vielen Dank dafür. Dabei ist mir klar geworden, dass sich die meisten Politikerinnen und Politiker um das Thema KI nicht kümmern. Sie glauben erstens, dass sie die KI-Entwicklung nicht betreffe, zweitens, dass sie nicht für die Regulierung von KI zuständig seien, und drittens, dass das Ganze ohnehin ein Hype sei. Mit dem dritten Punkt haben sie nicht unrecht. Trotzdem irren sie sich gewaltig.

    Liebe Politikerinnen und Politiker: Möglich, dass die KI Sie persönlich kaum betrifft. Aber die KI wird all das radikal verändern, wofür Sie zuständig sind: Schulen und Universitäten, den öffentlichen Raum, die Arbeitswelt, die Medien – und damit auch die Demokratie. Sie werden keine Zeit haben, sich langsam an die Veränderungen zu gewöhnen. Das Tempo ist schon jetzt atemberaubend, und es wird weiter zunehmen. Viele der Veränderungen sind wie Eisberge: An der Oberfläche sieht man wenig – die eigentlichen Umwälzungen geschehen darunter. Wenn Sie nicht zur politischen Titanic werden wollen, sollten Sie sich dringend mit KI beschäftigen. Sie müssen keine KI-Expertin und kein KI-Experte werden, aber die Grundzüge verstehen. Ich richte mich deshalb diese Woche direkt an Sie, liebe Politikerinnen und Politiker.

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    16 mins
  • Wie die KI die Demokratie gefährdet
    May 23 2025

    Letzte Woche habe ich in Schwerin an der Konferenz der Deutschen Landtagsdirektoren eine Keynote über KI und die Demokratie gehalten. Während der Vorbereitung und bei den Gesprächen mit den Vertretern der Landtage und des Bundestags ist mir aufgefallen, wie schlecht unsere demokratische Gesellschaft auf die Künstliche Intelligenz vorbereitet ist. Viele Politikerinnen und Politiker sind sich nicht bewusst, dass der Einfluss der KI weit über Fake News hinausgeht – die Programme greifen viel subtiler in die sensiblen Schnittstellen der Demokratie ein. Die KI ist deshalb so gefährlich, weil sie in zwei Punkten ganz anders funktioniert: Ihre Entwicklung verläuft rasend schnell – viel schneller, als wir uns anpassen können. Und sie geschieht verborgen im Maschinenraum der digitalen Welt: Sie ist nicht transparent. Das macht die Künstliche Intelligenz zu einer enormen Herausforderung für unsere Demokratie. Ich erzähle Ihnen deshalb diese Woche von den Bedenken, die ich an der Landtagsdirektorenkonferenz im Schweriner Schloss geäussert habe.

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  • Eurovision Song Contest: Voyage ins Post-Ironische
    May 16 2025

    «Mes yeux candides découvrent le monde d’une façon naïve à faire confondre les démons de la nuit.» Also etwa: «Meine unschuldigen Augen entdecken die Welt auf eine so naive Weise, dass es die Dämonen der Nacht verwirrt.» Die «Dämonen der Nacht» sind ein klassisches Motiv für das Böse, das in der Phantastischen Literatur durch kindliche Reinheit herausgefordert wird. Die Zeile stammt aber nicht aus einem Märchen oder einem Roman der Phantastik: Mit diesen Worten beginnt das Lied «Voyage», mit dem die Songwriterin Zoë Më aus Fribourg die Schweiz am Eurovision Song Contest vertritt. Kindliches Staunen gegen die Dämonen der Nacht – das ist zugleich eine gute Überschrift für einige Gedanken über den ESC. Hier in Basel kommt man dieser Tage schlicht nicht um den Eurovision Song Contest herum. Ich lade Sie deshalb dazu ein, mit mir ein bisschen über diesen seltsamen europäischen Musikwettbewerb nachzudenken. Es ist Freitag, der 16. Mai – die beiden Halbfinal-Shows sind vorbei, das grosse Finale findet aber erst morgen statt. Ich weiss also nicht, was da passiert und wer gewinnt. Das spielt für unsere Zwecke aber keine Rolle: Mir geht es darum, gemeinsam mit Ihnen mit «unschuldigen Augen» die Welt des ESC zu betrachten und darüber nachzudenken. Denken Sie mit?

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  • Sprache und Denken Vol 2: Warum Sprache so wichtig ist
    May 9 2025

    Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen Sprache und Denken - und das ist eine schlechte Nachricht, denn es steht nicht gut um die Sprachkompetenz. Darüber habe ich letzte Woche mit Ihnen nachgedacht. Hunderte von Kommentaren haben mich daraufhin erreicht - erst einmal vielen Dank dafür und bitte entschuldigen Sie, dass ich nicht alle persönlich beantworten kann. In vielen Kommentaren war so etwas wie Erleichterung zu spüren: Endlich sagt das mal jemand. Lehrerinnen und Lehrer aller Stufen haben sich gemeldet und berichtet, wie schlecht es um die Sprachkompetenz ihrer Schüler und Studenten bestellt ist. Wie schade und wie traurig $sie es finden, dass ihre Schülerinnen und Schüler kaum noch lesen und Studenten kaum noch in der Lage sind, ein komplizierteres Buch zu lesen. Ich habe aber auch kritische Rückmeldungen erhalten. Im Wesentlichen sind es drei Kritikpunkte, auf die ich näher eingehen möchte. Der erste Punkt betrifft Zweifel an der Kernaussage, dass Sprache und Denken eng zusammenhängen. Es geht auch ohne Sprache. Der zweite Punkt betrifft meine technologiekritischen Anmerkungen. Dagegen gibt es immer auch Widerstand. Motto: Alter, wach auf, die Eisenbahn war auch mal neu. Der dritte Punkt betrifft «die Jugend»: Schon Sokrates habe über die Jugend geklagt - alles halb so schlimm. Wirklich? Schauen wir es uns gemeinsam an – denken Sie mit?

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  • Die Sprache beeinflusst das Denken – oha!
    May 2 2025

    Etwa 7000 Sprachen gibt es auf der Welt. Viele davon funktionieren ganz anders als Deutsch und Englisch. Sie haben nicht nur andere Grammatiken, ihre Sprecherinnen und Sprecher haben auch andere Vorstellungen von Zeit und Raum, von Farben oder Gerüchen als wir. Offensichtlich gibt es einen engen Zusammenhang zwischen Sprache und Denken. Das ist eine schlechte Nachricht, denn wir sind dabei, Sprache und Sprachkompetenz zu verlieren, und zwar aus mehreren Gründen. Erstens reduziert sich unsere Welt immer mehr auf die angloamerikanische Sichtweise. Zweitens verstärken die KI-Tools aus den USA diesen Trend - und machen uns zudem sprachfaul und bequem. Und drittens nimmt die Lesekompetenz und damit die Sprachkompetenz rapide ab. Wenn aber Sprache unser Denken beeinflusst, dann sägen wir gerade heftig an dem Stuhl, auf dem wir sitzen. Glücklicherweise ist das Gehirn ein sehr plastisches Organ. Das bedeutet, es kann sich schnell erholen. Vorausgesetzt, Sie tun das Richtige. Was das ist, das sage ich Ihnen diese Woche – wenn Sie sich mit mir darauf einlassen, über den Zusammenhang von Sprache und Denken nachzudenken.

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