• Warum die Künstliche Intelligenz zum Tod der Medien führt
    Nov 1 2024

    Spoiler: ChatGPT hat nichts damit zu tun. Als Open AI im Dezember 2022 einer breiten Öffentlichkeit ChatGPT vorstellte, kam es zu einem technologischen Erdbeben, wie es sich seit der Vorstellung des iPhones durch Steve Jobs nicht mehr ereignet hat: Nur wenige Tage nach der Freischaltung nutzten bereits mehr als 100 Millionen Menschen den KI-Chatbot. Auch bald zwei Jahre danach verblüffen die grossen Sprachmodelle mit ihren Leistungen immer noch. Medienschaffende sehen sich bedroht durch KI-Programme, die wahre Zauberkunststücke mit Sprache, Bild, Ton und Video vollführen. Die Verblüffung ist gross – wie bei jedem Zaubertrick legen sich Entzücken und Verwunderung wie ein Schleier über die profane Mechanik, die den Zauber möglich macht. Im Fall der generativen KI sind das gigantische Rechenmaschinen, die sich Sprache, Bilder, Ton und Video mit Wahrscheinlichkeitsrechnungen erschlossen haben. Das mag der Verarbeitung von Sprache dienen, kreativ sind die Maschinen nicht. Reporterinnen, Interviewer, Kommentatorinnen und Cartoonisten können sie nie ersetzen. Die grosse Verblüffung hat aber dafür gesorgt, dass die meisten Menschen gar nicht gemerkt haben, wie die künstliche Intelligenz auf ganz andere Weise zum Tod der Medien führt. Denn die KI hat die Medien ökonomisch überflüssig gemacht.

    Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.
    Website: https://www.matthiaszehnder.ch/
    Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/
    Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/
    Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/

    Show more Show less
    21 mins
  • Vom Unterschied zwischen einer Website und einem Brötchen
    Oct 25 2024

    Die Verleger im deutschsprachigen Raum beklagen sich seit Jahren über die Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender im Internet: ARD und ZDF, ORF und SRF würden die Zeitungsverleger online mit Texten und Bildern konkurrenzieren und das finanziert mit Gebührengeldern. Besonders laut jammern die Verleger in der Schweiz. SRF ist online mit einem gut besuchten Newsportal präsent. Die Verleger sagen deshalb, dass die SRG sie verdränge und ihnen massiv schade. Die Behauptung: Ohne SRF hätten sie mehr Erfolg. Eine wissenschaftliche Studie zeigt jetzt das Gegenteil: Wer SRF-Angebote konsumiert, nutzt die privaten Medienangebote signifikant häufiger als Menschen, die keine SRF-Angebote nutzen. SRF ersetzt die privaten Medien also nicht, sondern ergänzt sie. Die Nutzung von SRF hat zudem keinen Einfluss darauf, ob die Menschen online für Nachrichten bezahlen oder nicht. Das Problem ist nicht die SRG, es sind die grossen Tech-Firmen. Die Verleger haben erleichtert auf die Studie der Universität Zürich reagiert, es kommt jetzt zum grossen Schulterschluss der Schweizer Medien gegen die Tech-Firmen aus dem Silicon Valley und alle leben glücklich und zufrieden. Kleiner Scherz. Nein: Die Verleger wischen die Studie vom Tisch. Motto: Wir empfinden das anders. Sie diskreditieren die Studie und ignorieren die empirische Evidenz. Zeit für einige Anmerkungen über den Unterschied zwischen einer Website und einem Brötchen.

    Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.
    Website: https://www.matthiaszehnder.ch/
    Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/
    Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/
    Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/

    Show more Show less
    19 mins
  • Eine Messe für das Buch
    Oct 18 2024

    Es ist paradox: Eigentlich ist die Frankfurter Buchmesse das weltweit wichtigste Hochamt für das Buch. Regelmässig wird an der Messe aber der Tod des Buchs verkündet. Ich war da, als die CD-ROM das Buch ablösen wollte, das elektronische Buch das Drucken überflüssig machen und das Internet die Branche auslöschen sollte. Gestern bin ich mal wieder nach Frankfurt gepilgert und habe dem Buchmarkt meinen Tribut gezollt. Allen Unkenrufen zum Trotz sind sie alle noch da: Suhrkamp und Rowohlt, Campus und Herder, Kein&Aber und Diogenes und zwar mit Büchern. Vor allem aber waren da viele Menschen, die leidenschaftlich über Bücher diskutiert haben. Autorinnen und Autoren, Verlegerinnen, Agenten, Übersetzer. Ich habe viele wache, kluge Gesichter gesehen. Das stimmt mich zuversichtlich. Aber auch 2024 fürchtet sich die Branche vor einem neuen Trend. Diesmal geht es nicht um eine neue Technologie, oder nur am Rande. In meinem Wochenkommentar sage ich Ihnen diese Woche wovor sich die Verlage fürchten und was mich dennoch hoffnungsvoll stimmt.

    Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.
    Website: https://www.matthiaszehnder.ch/
    Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/
    Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/
    Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/

    Show more Show less
    17 mins
  • Informationelle Landesverteidigung – wie könnte das gehen?
    Oct 11 2024

    Was ist die grösste Bedrohung der Schweiz? Stellen Sie sich vor, Sie wären ein autokratischer Herrscher in einem fernen Land und möchten dem Westen, insbesondere der Schweiz schaden. Würden Sie eine Bombe auf unser Land werfen, ein paar Raketen abfeuern oder gar Panzer schicken? Das wäre höchst ineffizient. Und zwar nicht nur, weil der Schaden nicht allzu gross wäre, sondern weil dem ganzen Land sofort klar wäre: Wir werden angegriffen. Die Reaktion wäre ein grosses Zusammenrücken. Nein, viel effizienter als Bomben und Raketen ist es, ein Land im Informationsraum anzugreifen. Und zwar indirekt, indem unser Autokrat für Unsicherheit sorgt, das Vertrauen der Bevölkerung in Regierung, Staat und Institutionen untergräbt und schwelende Konflikte schürt. Unser Autokrat muss dafür gar nicht viel tun. Die Medien sind ökonomisch längst auf pure Reichweite gepolt und deshalb äusserst empfänglich für Sensationen, Konflikte und emotionalisierende Inhalte. Ganz besonders gilt das für die sozialen Medien, wo Fake News sich sieben mal so schnell verbreiten wie reale Nachrichten – weil Falschnachrichten meistens sensationeller sind und mehr Emotionen wecken. Unser Autokrat reibt sich also die Hände, er sorgt mit einem kleinen Team gezielt für etwas Desinformation im Land und schon krachts. So weit, so klar. Die spannende Frage ist: Wie kann sich eine westliche Demokratie, wie kann sich die Schweiz davor schützen? Unser Autokrat verweist grinsend auf die Medien- und Meinungsfreiheit – sind dem Staat also die Hände gebunden? Ist die Schweiz feindlicher Desinformation schutzlos ausgeliefert? Denken wir gemeinsam darüber nach: Wie könnte heute eine informationelle Landesverteidigung aussehen?

    Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.
    Website: https://www.matthiaszehnder.ch/
    Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/
    Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/
    Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/

    Show more Show less
    16 mins
  • Die Schweiz kappt die geistige Landesverteidigung
    Oct 4 2024

    Die Schweiz hat, wie alle westlichen Länder, in den letzten Jahren die klassische Verteidigungsfähigkeit abgebaut. Jetzt versucht die Armee händeringend, die militärischen Löcher zu stopfen. Neu muss sie sich dabei nicht mehr nur um Land, See und Luft kümmern, sondern auch um den Weltraum. Der Nationalrat hat deshalb beschlossen, Beyond Gravity, die Weltraumfirma der Rüstungsfirma Ruag, aus Sicherheitsgründen zu behalten. Es könnte ein teures Engagement werden. Und dann gibt es da noch die fünfte Dimension der Auseinandersetzungen: Das ist der Informationsraum. Auf technischer Ebene hat die Schweiz in den letzten Jahren in die Cyberabwehr investiert. Ziel ist der Schutz kritischer Infrastrukturen und Systeme vor Cyberangriffen. Das ist die technische Ebene. Lange vorher beginnt das, was man als «Informationskrieg» bezeichnet: die Abwehr von manipulierten Informationen, Fake News und Desinformation. An Land, auf seinen Seen und in der Luft muss sich die Schweiz zwar besser rüsten, aber sie befindet sich im Frieden. Anders sieht das im Informationsraum aus: Russland und andere Akteure stecken längst mitten im Informationskrieg. Moskau will mit Desinformationskampagnen Zwietracht im Westen streuen. Anders als bei Artillerie und Flugabwehr ist die Schweiz im Informationsraum gut aufgestellt. Doch genau da will der Bundesrat jetzt den Rotstift ansetzen: Er hat «Swissinfo», den Auslanddienst der SRG, die Beiträge gestrichen und empfohlen, den Dienst einzustellen. Die Schweiz kappt mit anderen Worten die geistige Landesverteidigung. Ich frage mich: Warum?

    Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.
    Website: https://www.matthiaszehnder.ch/
    Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/
    Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/
    Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/

    Show more Show less
    20 mins
  • Truman Capote und das mitfühlende Schreiben
    Sep 20 2024

    Fast genau vor 100 Jahren ist im Süden der USA Truman Capote zur Welt gekommen. Wenn Sie ihn vor allem als Autor von «Frühstück bei Tiffany» kennen und Ihnen dabei Audrey Hepburn als Holly Golightly in den Sinn kommt, liegen Sie zwar richtig, Sie sind aber trotzdem auf der falschen Spur. Truman Capote konnte sich nie mit dem Film anfreunden. Capote hatte eine gesellschaftskritische Geschichte über ein Mädchen geschrieben, das sich in der Grossstadt verliert. Hollywood hatte daraus einen liebenswerten Film gemacht und der Story erst noch ein Happy End verpasst. Truman Capote hasste den Film. Er selbst stand für das Gegenteil einer seichten Hollywood-Geschichte. Er verband in seinem Schreiben akribische Recherche mit literarischem Erzählen. So entstand zum Beispiel «In Cold Blood», auf Deutsch «Kaltblütig», ein «nichtfiktionaler Roman». Später wurde dieser literarische Journalismus als «New Journalism» bezeichnet. Ich glaube, dass diese Art des Schreibens wieder wichtig werden wird. Gerade heute. Warum, das sage ich Ihnen diese Woche in meinem Wochenkommentar über Truman Capote und das mitfühlende Schreiben.

    Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.
    Website: https://www.matthiaszehnder.ch/
    Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/
    Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/
    Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/

    Show more Show less
    15 mins
  • Die eine gute Sache, mit der sich Journalisten gemein machen müssen
    Sep 13 2024

    Er war einer der ganz grossen deutschen Journalisten, der Inbegriff eines News-Anchors: Hanns-Joachim Friedrichs prägte die «Tagesthemen», die Spätnachrichtensendung der ARD, über Jahre. Und er prägte einen Satz, den seither jede Journalistin und jeder Journalisten im Kopf hat. HaJo Friedrichs sagte: «Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten.» Es ist gar nicht mehr wichtig, ob Friedrichs den Satz wirklich so gesagt und wie er ihn gemeint hat. Tatsache ist, dass jede Journalistin und jeder Journalist diese Aufforderung zu unbedingter Distanz und Neutralität seither unter die Nase gerieben bekommt. Das Problem ist: Der Satz ist falsch. Bei aller Neutralität müssen sich Journalisten immer mit mindestens einer Sache «gemein» machen – mit der Wahrheit. Doch genau daran entzündet sich die grosse Kritik an den Medien. Selten herrschte so wenig Einigkeit darüber, was Wahrheit ist. Bestes Beispiel: der Wahlkampf in den USA zwischen Donald Trump und Kamala Harris. Immer häufiger wird Journalisten deshalb Parteinahme vorgeworfen, dass sie sich also mit einer Sache gemein machen. Auch wenn es nur um die Wahrheit geht. Mein Wochenkommentar über die eine gute Sache, mit der sich Journalisten gemein machen müssen.

    Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.
    Website: https://www.matthiaszehnder.ch/
    Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/
    Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/
    Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/

    Show more Show less
    15 mins
  • Medienförderung als Teil der Corporate Social Responsibility
    Sep 6 2024

    Als Tamedia letzte Woche ihre Abbaupläne bekannt gab, ging ein Aufschrei durch die Schweiz. Der Medienkonzern bestätigte die schlimmsten Befürchtungen. Er verstärkte damit die Entwicklung der ganzen Branche: Die Medien ziehen sich immer mehr aus dem Lokalen zurück auf eine unverbindlich überregionale Ebene. Das Resultat der Zusammenlegungen ist das, was ich «Hors-sol-Journalismus» nenne: Es ist ein Journalismus, der keine Wurzeln mehr hat, weil die Inhalte in möglichst vielen Regionen funktionieren müssen. Die Schweiz ist deshalb wütend auf Tamedia und schaut zornig nach Zürich. Doch damit schlagen wir den Sack statt den den Esel. Tamedia reagiert mit ihrer Hors-sol-Strategie lediglich auf den Werbemarkt: Werbung wird auch in der Schweiz immer häufiger digital ausgespielt und dabei fast ausschliesslich von Algorithmen gesteuert. Das heisst: Die Werbeschaltungen richten sich nach Klickzahlen. Das aber ist kein Naturgesetz, sondern der Entscheid der Werbeauftraggeber, die das Schalten ihrer digitalen Anzeigen einem Computerprogramm überlassen. Das muss nicht sein. Würden diese Werbekunden auch nur einen Teil ihrer Budgets bewusst und qualitativ einsetzen, wäre für die journalistischen Medien viel gewonnen. Mein Wochenkommentar über die Verantwortung der Privatwirtschaft, Medienförderung als Teil der Corporate Social Responsibility zu begreifen.

    Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.
    Website: https://www.matthiaszehnder.ch/
    Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/
    Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/
    Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/

    Show more Show less
    16 mins